Zahnmedizin-Studenten trainieren an virtuellen Patienten

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In einem E-Learning-System können die Studenten der Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie des Universitätsklinikums Ulm Patientenbeispiele inklusive 3D-Scans von Kiefern und Gesicht sowie Röntgenbildern digital abrufen und bearbeiten.

Nahezu jeder zweite Jugendliche in Deutschland wird kieferorthopädisch behandelt. Die dafür erforderlichen Kompetenzen werden im Zahnmedizinstudium sowie der daran anschließenden fachzahnärztlichen Weiterbildung zum Kieferorthopäden vermittelt. Für das im Studium vermittelte Grundwissen sind im eng getakteten Lehrplan an den Universitäten nur wenige feste Zeiten vorgesehen. Das nun anlaufende Projekt „Virtuelle kieferorthopädische Patienten“ hat sich zum Ziel gesetzt, den Studenten eine digitale Ergänzung der Lehre für das Training außerhalb der klinischen Kurse anzubieten. Gefördert wird das Projekt mit insgesamt rund 285.000 Euro über das „Freiraum 2022“-Programm der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.

Eigenständig und ortsunabhängig arbeiten

Mit der finanziellen Förderung durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre plant die Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie unter der Leitung von Professor Bernd Lapatki, ein webbasiertes E-Learning-System zu programmieren, das eine größere Zahl von kieferorthopädischen Fallbeispielen mit unterschiedlichen Problemstellungen enthält. In diesem können die Zahnmedizin-Studenten komplett eigenständig und ortsunabhängig die Anamnese und Befunde von Patienten screenen, an Röntgenbildern und 3D-Scans Messungen vornehmen sowie einen Therapieplan erstellen.

Direktes Ergebnis-Feedback

Das System soll nicht nur alle digitalen Befunde und Diagnosen aus dem Alltag der Zahnklinik integrieren, sondern den Studenten anhand von Autorenlösungen auch direktes Feedback zu ihren Ergebnissen liefern und zudem didaktische Elemente enthalten. „Ein flexibles E-Learning-System zu schaffen, ist eine interdisziplinäre Herausforderung. Kenntnisse über das Anwendungsgebiet sind ebenso wichtig, wie das Wissen über die späteren Nutzerinnen und Nutzer. Das didaktische Konzept wird mit Erkenntnissen aus der Entwicklung von computergestützten Lehr-/Lernsystemen kombiniert“, erklärt Professor Lapatki.

Keine Gipsmodelle nötig

Für die Lehrenden hat eine komplett digitale Vorgehensweise mehrere Vorteile: Durch die digitalen 3D-Aufnahmen von Kiefern entfällt beispielsweise das zeit- und kostenintensive Anfertigen von über zwei Dutzend Gipsmodellen der Kiefer pro Patientenbeispiel. Aktuell ist es außerdem extrem aufwändig, die ärztlich erfassten Informationen händisch in eine virtuelle Maske zu überführen. Deshalb ist für digitale Auswertungen derzeit nur ein kleiner Pool mit Patientendaten vorhanden. Im Rahmen des Projekts sollen Schnittstellen zwischen den in der Zahnklinik routinemäßig bei allen Patienten erhobenen digitalen Daten und dem E-Learning-System implementiert werden und somit zukünftig die Daten aus den Anamnese- und Befundbögen aller Behandelten automatisch für die Lehre verfügbar sein.

Kompetenzen und Qualität verbessern

„Die späteren Patientinnen und Patienten unserer Studierenden werden durch die im E-Learning-System implementierte, komplett digitale Datenaufnahme und Therapieplanung ebenfalls profitieren“, betont Professor Bernd Lapatki. Wenn beispielsweise in Zukunft bei der kieferorthopädischen Behandlung die oft unangenehmen Gebissabformungen mittels Abdruckmasse durch ein berührungsloses Erfassen der Zahnbögen mit einem Intraoralscanner ersetzt werden, sind die zukünftigen Zahnärzte darin bereits umfassend geschult. Zudem sollen die Behandelten das Vorgehen besser verstehen, indem der Verlauf und das Ergebnis einer kieferorthopädischen Behandlung digital in 3D visualisiert wird.

Letztendlich sollten sich durch die Möglichkeit für die Studenten, die kieferorthopädische Diagnostik und Therapieplanung zeit- und ortsungebunden zu vertiefen und zu trainieren, auch die entsprechenden Kompetenzen verbessern, was sich langfristig auch auf die Qualität der Patientenbetreuung auswirken könnte.

Pilotphase startet

Bereits im Sommersemester 2023 sollen – nach einer Pilotphase – die virtuellen kieferorthopädischen Patienten im Zahnmedizinstudium an der Universität Ulm eingesetzt werden. Die Ergebnisse werden im Anschluss inhaltlich sowie technisch evaluiert und weiter optimiert.

Das Team der Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie des Universitätsklinikums Ulm arbeitet beim Projekt Virtuelle kieferorthopädische Patienten (VirtKFO) mit dem Institut Medizin, Informatik und Ökonomie der Hochschule Heilbronn und der Instruct gGmbH zusammen. Beide Einrichtungen besitzen langjährige Expertise bei der Entwicklung von Softwaresystemen für die medizinische Ausbildung in Deutschland.

Die Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“ erhält ihre Mittel vom Bund und den Ländern und unterstützt damit innovative Projekte in Studium und Lehre. Zugleich sollen die Hochschulen auch bei aktuellen Herausforderungen sowie bei der Erprobung neuer Ideen und deren Transfer gefördert werden. Im Rahmen der Ausschreibung „Freiraum 2022” werden bundesweit insgesamt 204 Projekte unterstützt.

Titelfoto: Universität Ulm / Medizinische Fakultät