Gendern: Trend oder zeitgemäße Notwendigkeit?

Advertorial

Um zu verstehen, warum Gendern eine immer größere Bedeutung in unserer Gesellschaft gewinnt, ist es wichtig zu verstehen, dass Gendern die soziale Dimension einer Gesellschaft beschreibt. Die Deutsche Gesellschaft, die Dentalbranche, ist bunt und divers und die damit einhergehende Toleranz sollte sich in der Sprache, dem geschriebenen Wort und den Berufsbezeichnungen wiederfinden.

Gendern ist in unserer Gesellschaft auf die ein oder andere Art angekommen, teils mit peinlichen Witzen oder verkrusteten patriarchalen Spinnwebengedanken, teils mit dem Respekt, den unsere diverse Gesellschaft verdient. Gendern erscheint einfach, wenn zum Beispiel auf Personengruppen hingewiesen wird, wie etwa auf Zahnärzte und Zahnärztinnen oder Kieferorthopäden und Kieferorthopädinnen. Diese Art des Genderns beschreibt jedoch nur binär orientierte Menschen und berücksichtigt nicht nicht-binäre Menschen, die zwischen männlich und weiblich stehen oder sich ganz anders fühlen, sehen oder bezeichnen. Um unserer Lebensrealität gerecht zu werden, sollte unsere Gesellschaft über das rein Männliche und rein Weibliche hinauswachsen. Nicht-binäre Menschen anzuerkennen, bedeutet Respekt gegenüber denjenigen Menschen zu zeigen, die sich nicht zuordnen lassen können oder wollen.

Genderneutral ist mehr als nur Lesefreundlichkeit

Das Gendern in Texten empfinden einige Leser als Erschwernis, da aus ihrer Sicht flüssiges Lesen nicht gewährleistet sei. Aus diesem Grund finden sich in vielen Büchern und Artikeln entsprechende Hinweise darauf, dass auf die Verwendung der rein maskulinen beziehungsweise femininen Schreibweise für eine bessere Lesbarkeit verzichtet wurde. Gendern sollte keine Diskussion über die Lesbarkeit von Texten auslösen, sondern darüber, dass es Mensch in unserer Gesellschaft gibt, die sich nicht gesehen oder gar schmerzhaft ausgeschlossen und diskriminiert fühlen. Menschen, die aufgrund ihrer nicht-binären Zuordnung Probleme mit ihrer Identifikation, auch mit ihrer beruflichen Identifikation haben und darunter leiden.

Es geht um weit mehr als ein Sternchen

Wer mit einem lakonischen Lächeln und Kopfschütteln über die aktuelle Veränderung spaßt, erkennt mitunter nicht den Kern des dahinterstehenden Bedürfnisses von Betroffenen nach Sichtbarkeit und Anerkennung. In der Entwicklungsgeschichte unserer und anderer Gesellschaften wurden immer wieder Personengruppen das Recht aberkannt, das sein zu dürfen, was sie von Natur aus sind, beziehungsweise sein wollen.

Der Geschichte entsprungen: maskuline Berufsbezeichnungen

Geschichtlich betrachtet haben sich aus gesellschaftlichen Werten oder Zwängen heraus viele maskuline Berufsbezeichnungen und Vorannahmen entwickelt, die sich bis heute, obwohl diese längst überwunden sind, halten. Wenn wir eine Berufsbezeichnung hören, verbinden und erzeugen wir damit ein Bild in unserem Kopf. Eine Hebamme ist natürlich weiblich und der Chirurg ist selbstverständlich männlich.

Binäre Berufsbezeichnungen lassen Bilder entstehen, die fälschlicherweise auch mit einem Grand an Kompetenz bewertet werden, wie beispielsweise, dass ein Mann viel mehr Kraft hat, um einen Zahn zu ziehen, als eine „zarte kleine“ Frau. Mittlerweile wissen wir, dass die Extraktion eines Zahnes keine Frage der Muskelkraft ist und doch halten sich hartnäckig Berufsbilder, die Männern beziehungsweise Frauen zugeordnet werden und dadurch Berufswahl, Weiterbildung, Karriere oder Karrierechancen prägen. Nicht-binäre Menschen werden einfach ihrem Äußeren gemäß zugeordnet, unabhängig davon, als was sie sich fühlen.

Die erste deutsche Zahnärztin

Gendern war schon immer ein feministisches Anliegen, wie das Beispiel der ersten deutschen Zahnärztin belegt. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war es nämlich Frauen untersagt, eine Hochschule zu besuchen. Somit blieb eine der Grundvoraussetzungen (Erwerb eines Hochschulstudiums), um als anerkannter Zahnarzt tätig zu werden, den Frauen verwehrt. Henriette Hirschfeld-Tiburtius musste erst in die USA reisen, um dort ihren Traumberuf studieren zu dürfen. Doch auch dort war es nicht leicht für sie. 1869 erhielt sie dank ihrer Hartnäckigkeit, ihres Fleißes, ihres Wissens und ihrer Geschicklichkeit, als zweite Frau in den USA den Titel „Doctor of Dental Surgery“ und eröffnete als erste Frau in Deutschland, ihre Praxis in Berlin. Das Gendern war somit schon immer auch ein feministisches Anliegen.

Der Zugang zu einer Hochschule ist in Deutschland allen Menschen unabhängig ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung mittlerweile erlaubt, Karrierechancen reduzieren sich nicht-binären Menschen jedoch aufgrund hartnäckiger Vorannahmen.

Weiblich, männlich, divers

Veränderung von Berufsbezeichnungen erfolgen nur schleppend und halten sich an der binären Sicht von weiblich und männlich. Manchmal erscheint es, als gelinge die Veränderung nur in eine Richtung. Der als „Frauenberuf“ bezeichnete Hebammen-Job wurde für männliche Kollegen verändert, sodass diese sich als Geburtshelfer bezeichnen dürfen.

An diesem Beispiel wird die ganze Tragweite des Genderns sichtbar. Gendern bedeutet für viele, das weibliche und männliche Geschlecht zu nennen. Doch es gibt darüber hinaus noch jene, die sich nicht in diese zwei „Lager“ einreihen lassen. Es geht darum, Berufsbezeichnungen zu etablieren, die auch all jenen Menschen Raum gewähren, die nicht-binär sind.

Sichtbarkeit und Anerkennung durch Schreibweisen etablieren

Das Gender-Sternchen macht unter anderem darauf aufmerksam, dass es neben weiblich/männlich noch anderweitige Zuordnungen gibt. Das Gender-Sternchen hat jedoch bisher keinen Einzug in die deutsche Rechtschreibung gefunden. Ebenso nicht der Gender-Doppelpunkt oder der Gender-Unterstrich. Wenn unsere Gesellschaft eine Veränderung möchte, die in unseren alltäglichen Sprachgebrauch einfließt, dann braucht es den Einzug in die offizielle Rechtschreibung. Es braucht eine offene Geisteshaltung und ein Abrücken von binären Berufsbezeichnungen.

Veränderung in kleinen Schritten

Seit 2019 werden bereits Stellenausschreibungen mit (w/m/d) gekennzeichnet und ermöglichen dadurch die Ansprache weiblicher, männlicher und diverser Jobinteressierter. Unisextoiletten tragen seit Langem dazu bei, dass Klientel einer Praxis nicht in männlich und weiblich zu unterscheiden. Doch wie verhält es sich bei der Ansprache, wenn Erkrankte aus dem Wartebereich aufgerufen werden, um ins Behandlungszimmer geleitet zu werden?

Bereits bei der Erstanmeldung sollte die Person gefragt werden, welche Anrede oder ob überhaupt eine Anrede verwendet werden sollte. Denn, neben dem „Frau Müller“ und „Herr Meyer“, kann der Vor- und Nachname des Patienten verwendet werden, wie beispielsweise „Amelie Krüger“ oder „Thomas Michel“. In Briefen oder Mails kann komplett auf die Anrede verzichtet und durch ein „Guten Tag Marion Schneider“ oder „Guten Tag Ingo Bäcker“ ersetzt werden.

Zeit für die Wende

Gendern ist möglich, es braucht etwas guten Willen, um alte Sprachmuster loszulassen und neue für sich zu entdecken. Neue, lebensnahe Sprache, die unserer bunten und diversen Gesellschaft in ihrem Selbstverständnis zur eigenen Person gerecht wird. Schluss mit Koch oder Köchin. Schluss mit Chirurg oder Chirurgin. Schluss mit Zahnarzt oder Zahnärztin. Es ist Zeit, neue gedankliche und sprachliche Wege zu erforschen, die unserer gesamten Gesellschaft gerecht werden.

Beispiele: neu denken und sprechen bei Veranstaltungen

Alte Sprachgewohnheit: Die Teilnehmergebühr beträgt …
Neue, neutrale Variante: Die Teilnahmegebühr beträgt …

Alte Sprachgewohnheit: Expertenwissen im Bereich …
Neue, neutrale Variante: Fachwissen im Bereich …

Alte Sprachgewohnheit: Langjährige Dozententätigkeit an der Uni …
Neue, neutrale Variante: Langjährige Lehrtätigkeit an der Uni …

Alte Sprachgewohnheit: Wir bitten nun …. ans Rednerpult.
Neue, neutrale Variante: Wir bitten nun … ans Redepult.

Alte Sprachgewohnheit: Die Unterlagen sind benutzerfreundlich.
Neue, neutrale Variante: Die Unterlagen sind benutzungsfreundlich.

Alte Sprachgewohnheit: Die Raucherpause findet um …
Neue, neutrale Variante: Die Zigarettenpause findet um …

Alte Sprachgewohnheit: Das Damenprogramm bietet …
Neue, neutrale Variante: Das Programm für die Begleitperson bietet …

Alte Sprachgewohnheit: Liebe Damen und Herren,
Neue, neutrale Variante: Liebes Publikum!

Titelfoto: geralt/pixabay