„Es gibt keine Stressresistenz“

Advertorial

Namhafte Experten zu aktuellen Themen rund um den Praxis- und Klinikalltag verspricht das Innovations-Symposium 2020, das am 28. November 2020 im Maritim-Hotel Köln stattfindet. dentalMotion stellt ausgewählte Referenten vor und spricht mit ihnen über ihre Fachthemen. Heute mit Martin Seibt und Andreas Berger zum Thema Stressprophylaxe.

Keyfacts zum Innovations-Symposium

Was: Innovations-Symposium – Tagung zum Alltag in Klinik und Praxis
Wann: 28. November 2020 – 09:00 bis 18:00 Uhr
Wo: Maritim Hotel Köln
Teilnahmegebühr: ab 110,- Euro
Informationen und Anmeldung: www.innovations-symposium.de

Die Experten

Mag. Martin Seibt MSc

Mag. Martin Seibt MSc ist Biologe, Organisationsentwickler und Coach mit dem Schwerpunkt Kooperative Führung und Mitarbeiterzufriedenheit. ZRM® Trainer.

Andreas Berger

Andreas Berger ist Diplom-Kaufmann und seit über 20 Jahren Berater und Coach mit den Schwerpunkten Leadership sowie Personal- und Organisationsentwicklung.
www.keytrain.eu


Wie verbreitet ist der Burn-out in der Zahnmedizin?

Untersuchungen zeigen, dass vor allem Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten, gefährdet sind, ein Burn-out-Syndrom zu entwickeln. Also Berufsgruppen, die sich um andere Menschen kümmern: Altenpfleger, Sozialarbeiter, Lehrer, Krankenpfleger oder Ärzte. Experten schätzen die Zahl der Burnout-Gefährdeten hier auf 20-30 %.

Tobias Esch schreibt zum Beispiel in dem Buch Die Neurobiologie des Glücks (2017, Thieme Verlag): „Es ist schon komisch mit diesem Arzt- und Therapeutenberuf. Einerseits soll das Sich kümmern um andere Menschen der direkte Weg zur Glückseligkeit sein, andererseits sitzen Ärzte und Therapeuten - die vermeintlichen „Kümmerer" selbst - zuhauf, so könnte man meinen, in psychiatrischen Kliniken und psychosomatischen Praxen, um (und das ist leider wirklich so) in zunehmendem Maße ihr Burn-out, ein chronisches Unglück, ihre Lebenskrise oder Sucht, das Ich-komme-einach-nicht­ mehr-klar-Syndrom oder schlicht eine „banale" Depression behandeln zu lassen."

Das ist genau der Punkt: Helfende Berufe haben den Anspruch zu helfen, aber was ist, wenn sich der Patient gar nicht helfen lassen möchte? Diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit verursacht Stress.

Sind Themen wie Achtsamkeit und Work-Life-Balance eher Modebegriffe, oder haben sie spürbare Effekte auf das Stressniveau?

Natürlich sind Achtsamkeit und Work Life-Balance-Modebegriffe. Das resultiert einfach daraus, dass die Themen Burnout und Depression, wie auch New Work mehr und mehr in den Mittelpunkt unseres Erwerbsarbeitslebens treten. Im Zentrum all dieser Überlegungen steht die Frage nach der intrinsischen Motivation. Mit den Worten von Frithjof Bergmann dem Gründer und Pionier des New Work-Gedankens, geht es darum, im Leben das zu tun was wir wirklich, wirklich wollen.

Achtsamkeit und Work-Life-Balance und all die anderen Begriffe und Methoden, die in dieser Diskussion häufig verwendet werden, haben nur insofern einen spürbaren Effekt auf das Stressniveau, wenn es mit ihnen gelingt, im Erwerbsleben Selbstbestimmtheit zu leben. Diese Selbstbestimmtheit hat einen sehr deutlichen Einfluss auf unser Glücksempfinden, wie die Glücksforschung herausgefunden hat.

„Zuerst die schlechte Nachricht: Es gibt keine Stressresistenz!“

Es scheint schon sehr lange klar - wenngleich nicht unumstritten ist, wie man das und was man da eigentlich misst -, dass Glück zu ca. 50 % angeboren (oder sehr früh erworben), es aber wesentlich über die Lebenserfahrungen und die individuellen Konsequenzen daraus mitbestimmt wird. In diesem selbst bestimmten Bereich finden sich Anteile, die Glücksforscher wie Martin Seligman und Sonja Lyubomirsky dem Teil zuordnen, der unserer Kontrolle – und damit einer Trainierbarkeit - grundsätzlich zugänglich scheint. Etwa 40 % des Glücks sollen das sein. Die äußeren Umstände würden demnach nur für 10 % unseres Glücks (oder Unglücks) verantwortlich sein.

Ein detaillierterer Blick zeigt folgendes: Glück ruht auf drei Säulen: Haben (materielle Existenz und ihre Sicherung), Sein (Gesundheit, Wachstum, Persönlichkeitsentwicklung) und Lieben (Verbundenheit, Partnerschaft, soziale Vernetzung). Eine andere Studie nennt diese Säulen: Existenzsicherung, Verbundenheit und Wachstum. Demzufolge ist für hohe Resilienz und Lebenszufriedenheit der Faktor Arbeit wichtig, also die Fähigkeit und Möglichkeit etwas zu „schaffen“, eine „Aufgabe“ zu haben – idealerweise mit Hingabe, „Flow“, Aufmerksamkeit oder mit Achtsamkeit.

Was raten Sie jungen Zahnmedizinern, frisch im Beruf oder kurz vor der Gründung der eigenen Praxis, um Stressresistenz aufzubauen?

Zuerst die schlechte Nachricht: Es gibt keine Stressresistenz! Es gibt nur einen konstruktiven Umgang mit Stress, der von außen kommt und einen reflektierten Umgang mit selbstgemachtem Stress. Das ist gut so, denn Stress ist biologisch überlebenswichtig. Als frischgebackener niedergelassener Zahnarzt in einer eigenen Praxis darf ich mich jetzt endlich mit den Problemen herumärgern, die ich gestern noch nicht hatte. Probleme, von denen man vielleicht gestern noch nicht einmal geahnt hatte, dass sie überhaupt existierten, oder gehofft hatte, dass sie sich plötzlich mit der eigenen Berufung in Luft aufgelöst hätten!

„Stress ist ein wichtiges Konzept für das Leben, das Glück, die Medizin“

Stress ist ein wichtiges Konzept für das Leben, das Glück, die Medizin; so wichtig, dass es ganz oben also im Gehirn seinen Ausgang nimmt. Das psychoneurale Grundsystem „Stressregulation“ wird als allererstes psychoneurales Grundsystem in unserem Körper noch vorgeburtlich angelegt (Gerhard Roth – „Wie das Gehirn die Seele macht“). Dies zeigt, wie wichtig Stress ist, um uns am Leben zu erhalten. Stress tritt immer dann auf, wenn unser Anspruch (Sättigungsgefühl, Sicherheit, … Vorstellungen und Wissen … materielle und ideelle Ziele) und die Wirklichkeit auseinanderklaffen. Normal ist, dass eine Wunde zu bluten aufhört, aber es gibt Fälle, in denen sie das nicht tut. Wie gut, dass unser Stresssystem darauf reagiert.

Um mit Stress gut umzugehen, ist es wichtig das Selbstberuhigungssystem, ein weiteres Psychoneurales Grundsysteme zu stärken. Dabei können Achtsamkeitsübungen, Meditationsübungen, Autogenes Training, Yoga und dergleichen mehr helfen. Am besten hilft jedoch, sich bewusst zu machen oder vielmehr kritisch zu hinterfragen, ob diese Tätigkeit, die ich gerade ausübe oder auszuüben beginne wirklich meiner innersten Überzeugung entspricht.

Wie gehen Sie persönlich mit Stress um? Gibt es eine Übung oder ein Manta, die bei Ihnen zum Einsatz kommen?

Ob man Achtsamkeitsübungen, Meditation oder eine der vielen anderen Methoden einsetzt, bleibt jedem persönlich überlassen. Wichtig bei alldem ist, nicht zu vergessen: Wahres Glück kommt von innen.

Unser persönliches Erfolgsrezept ist unsere persönliche Einstellung bzw. Haltung zu Stress. Kommt der Stress von außen, gilt der Satz von Lothar Seiwert „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“. Planung, Priorisierung und kontrolliertes Abarbeiten, wie auch Ruhe zu bewahren, sind ein wichtiger Teil unserer persönlichen Stresskompetenz. Es gibt nichts Schlimmeres, als ein System, das ohnehin schon in Aufruhr ist, durch persönliche Hektik noch weiter zu eskalieren. Wenn ein Patient warten muss, weil ein Notfall reinkam, weiß er um die Wertschätzung, die ihm in einem ähnlichen Fall zu Teil wird. Aus der Website eines Hautarztes: „Wir versuchen alles, um lange Wartezeiten zu verhindern. Trotzdem darf bei mir jede Patientin und jeder Patient die Zeit für sich in Anspruch nehmen, die sie bzw. er für sich verlangt. Und das gilt selbstverständlich auch für Sie!“

Um Schwierige Situationen gut zu bewältigen, hilft aus unserer Erfahrung nicht das eintrainierte To-do, nicht das präzise formulierte Handlungsziel, sondern nur die richtige Einstellung zur Situation. Das Zürcher Ressourcenmodell (ZRM®) ist dabei eine hilfreiche Grundlage. Wir trainieren nicht die Präzision der Handlung, sondern das mentale Modell.