Umgangsformen am Arbeitsplatz: Unverzichtbar oder Schnee von gestern?

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Gute Umgangsformen und ein gepflegtes Äußeres – so stand es früher häufig in den Stellenausschreibungen, um darauf hinzuweisen, wie wichtig der Praxis diese Verhaltensaspekte waren. Sind Umgangsformen heute noch relevant oder längst kein Thema mehr?

Wenn in Deutschland über Umgangsformen gesprochen wird, dann verstehen viele Verhaltensweisen darunter, die das Miteinander vereinfachen und somit zum sozialen Frieden innerhalb der Praxis, aber auch im Alltag, beitragen sollen. Akzeptierte Umgangsformen zu beherrschen, ist eine wichtige Voraussetzung für den Umgang mit Patienten, denn diese sollen sich wohlfühlen – schließlich liegt eine langfristige Bindung im Interesse der Praxis.

Bestimmte Verhaltensweisen reflektieren Werte

Darüber hinaus reagieren viele Patienten unmittelbar, wenn ihnen das Erlebte missfallen oder auch gefallen hat. Umgangsformen helfen darüber hinaus, sich im Team zu verständigen und als Teil der sozialen Gemeinschaft zusammenzuwachsen. Wie war die Begrüßung? Wie höflich waren die Mitarbeiter:innen  und Behandler:innen? Wurde der Termin pünktlich eingehalten? Waren Personal und Behandler:in aufmerksam, als die Patientenwünsche geäußert wurden? War das Behandlungsteam hilfsbereit und haben Unterstützung bei der Beantwortung des Erstattungsschreibens angeboten? Wie stand es um das Taktgefühl, als deutlich wurde, dass der Patient weder den deutschen noch den englischen Anamnesebogen ausfüllen konnte? Wie tolerant geht das Praxisteam mit den unterschiedlichsten Patienten und den Teammitgliedern um? Diese Fragen weisen den Weg zu allgemein anerkannten Umgangsformen und damit verbundenen Werten.

Karrierekick oder Karriereknick?

In Deutschland werden Umgangsformen häufig mit den Verhaltensweisen bei der Begrüßung, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Taktgefühl, Toleranz und dem Respektieren von Grenzen verbunden. Diese Verhaltensweisen werden als positive Umgangsformen in unserer Gesellschaft wahrgenommen. Anders sieht es mit Aufdringlichkeit, Unfreundlichkeit, Respektlosigkeit, Grenzüberschreitungen oder gar Wutausbrüchen aus. Diese negativen Umgangsformen werden abgelehnt und die Person erhält einen „sozialen Stempel“, den sie nicht so schnell wieder loswird und der die Karriere nachhaltig beeinflussen kann.

Spielregeln können unterschiedlich sein

Viele Arbeitgeber:innen schätzen gute Umgangsformen als eine vorhandene Fähigkeit. Sie sind für sie selbstverständlich, sodass nicht extra darauf hingewiesen wird, welche Vereinbarungen – beispielsweise für den Umgang mit Patienten, aber auch untereinander – gelten. Bewerber:innen ist oftmals nicht bewusst, welchen Spielregeln es zu folgen gilt. Denn Spielregeln können sehr unterschiedlich sein. Die eine Praxis legt großen Wert auf eine professionelle, höfliche Distanz zu den Patienten, die andre Praxis lebt eine möglichst enge Bindung mit den Patienten. Sie betrachten Patienten als Freunde und vermitteln dies durch das Duzen in der Begrüßung und Ansprache. Ein neues Teammitglied, welches Patienten einfach duzt, würde in der zuerst genannten Praxis als „unhöflich“ oder gar „unverschämt“ gelten, denn die gewünschte Distanz zu den Patienten würde einseitig gebrochen.

Herkunft und Alter beeinflussen die Perspektive

Umgangsformen werden in der Kindheit geprägt und sind somit an die Herkunftsfamilie gebunden. Die Diversität der Teams – sowohl in Bezug auf das Alter der Mitarbeiter:innen als auch auf ihre Herkunft – birgt so manche Herausforderung und erfordert unsere Toleranz. Die gute Nachricht: Umgangsformen lassen sich erlernen und somit verändern. Dies erfordert jedoch eine klare Definition, welche Umgangsformen erwartet werden, eine eindeutige Analyse über die aktuelle Ausprägung und in einigen Fällen ein gezieltes Training.

Erwartungen sollten definiert werden

Es ist wichtig über Umgangsformen zu sprechen: Was bedeutet Höflichkeit, Aufmerksamkeit, Toleranz? Bin ich noch pünktlich, wenn ich fünf Minuten nach Dienstbeginn erscheine, aber noch so rechtzeitig, dass kein „Schaden“ entsteht? Oder bedeutet Pünktlichkeit, zehn Minuten vor Dienstantritt bereits umgezogen zu sein und mit einer ersten Tasse Kaffee in der Hand auf den Arbeitsbeginn zu warten? Es ist nicht zielführend, über mangelnde Höflichkeit zu sprechen, wenn im Vorfeld nicht festgelegt wurde, wie genau die Praxis Höflichkeit definiert.

„Um es neuen Mitarbeiter:innen leicht zu machen, ist die Ausarbeitung der in der Praxis geltenden Umgangsregeln ein wichtiger Aspekt. Das Ergebnis gehört in die Willkommensmappe. Noch anschaulicher wird es, wenn die erwarteten Umgangsformen während der Einarbeitungsphase stets vermittelt und trainiert werden.“

Das Umfeld prägt

Je mehr Mitarbeiter:innen sich den Umgangsformen der Praxis verpflichtet fühlen und diese täglich anwenden, desto einfacher wird es neuen Teammitgliedern fallen, sich in das neue Umfeld einzufügen. Die Investition in gute Umgangsformen wird durch uns oft nicht bewusste Mechanismen belohnt. So trägt gelebte Verlässlichkeit dazu bei, dass anspruchsvollere Aufgaben delegiert und Kontrollmechanismen reduziert werden können. Kolleginnen und Kollegen, die einander im Team unterstützen, erhalten mehr Anerkennung und sind stabiler in der Gruppe gebunden als solche, die dies nicht tun.

Einarbeitung und Anpassung von Umgangsformen brauchen Zeit, Geduld, eindeutige Vorgaben und unmissverständliche Hinweise in Bezug auf die Folgen einer permanenten Nichtbeachtung. Denn Umgangsformen sind der Kitt der sozialen Gemeinschaft, auf die keine Praxis verzichten kann oder sollte.

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